Die Rechnung bitte!

Die Aufstiegsfeier von RB Leipzig hat so einige Dinge sichtbar werden lassen, die die aufmerksame Leserschaft hier längst wusste: Die Marketing-Inszenierung des eigenen Fußballprodukts schreckt vor wenig zurück und ist nicht immer geschmackssicher. Die rot beflaggte Innenstadt und die Parole “Wir sind E1ns” kann man noch als Initialen des Siegers durchgehen lassen, auch wenn es in seiner planmäßigen Durchführung von oben doch ein wenig an früher erinnerte. Die dreistündige Aufstiegsshow vom Pfingsmontag läuft dann nicht mehr unter der Rubrik “Geschmacksfrage”. Selbst vielen RB-Anhängern gefiel die Inszenierung von “Schwiegertochter gesucht”-Momenten mit Coltortis Familie, Grußworten zufälliger Sportler und vor allem der stundenlange Vorlauf für vergleichsweise wenig Kontakt zur Mannschaft nicht. Offenen Widerspruch gab es dann, als die eingeladenen Ostrock-Legenden Silly in Trikots von Ostklubs aufliefen. Neben diesem Symbolgewitter ostdeutsche Tradition vs. globaler Funsport kam die berechtigte Frage auf, wer denn nun was von dieser TV-Show bezahlt hat.

Denn was da live über den Äther lief, war die Verquickung öffentlich-rechtlichen Repräsentationsanspruchs und der Marketing-Kalkulation von RB. Tolle Markenpräsenz in einem positiven Umfeld für beide. Die Produktionskosten für eine dreistündige Livesendung samt Bühne und Live-Acts sowie Moderation sind auch nicht mal eben aus der Portokasse zu bezahlen. Mal ganz abgesehen von der Frage, wie weit es sich für einen öffentlich-rechtlichen Sender schickt, das Event eines privatwirtschaftlichen Unternehmens mitzugestalten und zu finanzieren. Twitter-User Stadioncheck bekam auf seine Fragenliste an den MDR mit zwei Tagen Verzögerung folgende Antwort von der MDR-Pressestelle:

Da insbesondere der zweite Teile der Antwort (zusammengefasst etwa: “Wir hatten ja nüschd!”) sehr nach Vorwärtsverteidigung klang und die Berechtigung der Frage an sich kritisierte, dachten wir, wir fragen mal nach. Also schrieben wir an die RB-Presseabteilung und stellten dieselben Fragen. Und siehe da, die Antwort unterscheidet sich in einem interessanten Detail:

Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihnen zur genauen Vertragsgestaltung keine Auskunft geben können. RB Leipzig war der Veranstalter, während der MDR die anfallenden Produktionskosten für die TV-Übertragung sowie die Kosten für die von ihnen gebuchten Künstler getragen hat. Die Stadt Leipzig hat keinerlei Kosten zu tragen gehabt.

Das klingt dann doch anders als in der MDR-Antwort: Hier wurde nicht nur “das Sendesignal” produziert, sondern eben doch die ganze Show. Statt “Akquise” von Bands (ostdeutsch auch: “besorgen”) übernahm der MDR wohl das gesamte Booking. Auf deutsch: Bis auf den Auf- und Abbau der Bühne und die Veranstalternebenkosten (Versicherung, Anmeldung, Werbung) hat der MDR den Großteil der Aufstiegsfeier von RB Leipzig bezahlt. Während der BR gerade eine Übertragung der Bayern-Double-Feier ablehnte, weil der Verein einen finanziellen Zuschuss in Form von Lizenzgebühren verlangte, sponsert der MDR also eine dreistündige Feier für den reichsten Fußballklub des Sendegebietes. Starkes Stück!
 

UPDATE 13:58 Uhr: Nach unserer Veröffentlichung der nicht ganz deckungsgleichen Antworten hat die MDR-Pressestelle klar gestellt, dass “beide Recht haben”. Weil nämlich gar keine Gagen gezahlt worden sein. Das umschifft die Frage nach den Kosten und wer sie getragen erneut, weswegen wir unsere Anfrage an den MDR (per Mail und Tweet) präzisiert haben:

1) Wie hoch sind Kosten für die vom MDR übernommenen Leistungen zur Produktion der dreistündigen Aufstiegs-Show?

2) Wenn keine Gagen gezahlt worden sind, welche Kosten sind für die Anreise, Unterbringung und Verpflegung der Künstlerinnen sowie für die GEMA bzw. GVL angefallen?

3) Welche Abteilung hat die Einladung und Organisation der Künstler-Auftritte übernommen? War dabei die mehrfach vorgetragene Formulierung, “ein Fanfest für alle Ostvereine” zu sein, ausschlaggebendes Kriterium für die Finanzierung aus MDR-Mitteln?

Einfach nur guter Fußball

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Bild: Mixy Lorenzo/flickr unter CC by-nc-sa 2.0

Zwei Dinge (in weiser Voraussicht) vorab: Wir unterstützen ausdrücklich den Teil der RBL-Fans, die die Paten-Aktion initiiert haben, sie organisieren und sich daran beteiligen werden. Wenn aus der Nachbarschaft von Ernst-Grube-Halle und Zentralstadion über den einmaligen Besuch hinaus eine, oder viele kleine Beziehungen zwischen Geflüchteten und Fußballfans entstehen, dann wäre das mehr als wünschenswert. Auch dient die Beobachtung nicht dazu, Rasenballsport Leipzig und sein Sportmarketingkonzept als unzulässige, “fremde” Ausnahme darzustellen – ganz im Gegenteil. In den ablehnenden Comments zur Aktion zeigt sich eine Argumentation, die auch etwas damit zu tun hat, wie im Hause Red Bull Fanszenen behandelt und Fußball vermarktet wird.
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V wie vielsagendes Versehen

Vor dem gestrigen Heimspiel gegen St. Pauli versuchten so einige die beste Pointe zu landen. Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben machte zum Beispiel eine aktuelle Meldung daraus, dass auf der Pauli-Website schon seit Monaten statt dem RBL-Logo ein neutralerer Schriftzug prangt. Aber die Leipziger hatten sich den besten Lacher doch selbst vorbehalten.

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Ralle: Schicksalsjahr eines Sportdirektorentrainers

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Bild: xtranews.de bei Flickr unter CC BY 2.0

Der Auftakt zur zweiten Saison in der zweiten Liga steht unmittelbar bevor. RB Leipzig startet morgen in Frankfurt gegen den FSV. Während das für einige Fußballfans recht früh im Sommer kommt, läuft am Cottaweg bereits seit 1. Juni alles auf Hochtouren. Schließlich geht es in eine Schicksalssaison – und mittendrin Sportdirektorentrainer Ralf Rangnick.

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Alternativ-Karaoke

1024px-Campino_03 Bild: Armin Kübelbeck, CC-BY-SA, Wikimedia Commons

Am Sonntag war Saisoneröffnung bei Rasenballsport Leipzig. Als besonderes Schmankerl konnte man bei der Zeitung mit den vier großen Buchstaben zehn Songs wählen, die von den Spielern und Trainern in der Arena zur Unterhaltung der Massen performt wurden. Wir waren weder über die Auswahl (langweilig) noch die schlussendlichen Sieger (Mitgröl-Schlager) überrascht, wollen diese Kritik aber auch nicht ohne eigene Vorschläge stehen lassen. Gedankt sei an der Stelle übrigens dem Düsseldorfer Stadion-DJ, der schon im September vergangenen Jahres ein paar inspirierende Vorschläge gesammelt hatte.
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Identifikationsfreigabe

Während die Zeitung mit den vier großen Buchstaben aufgrund der jüngsten Wechsel und Wechselgerüchte um Red Bull-Spieler sensationslüstern das Fußballprojekt RB in Frage stellt, spielt sich vor der Leipziger Haustür wesentlich Bemerkenswerteres ab. Dass Leihspieler, internationale Ausnahmetalente oder ein 22-Jähriger vor dem nächsten Karriereschritt mal eine der RB-Filialen verlassen, dürfte in Rangnicks entwickelnder Personalpolitik einkalkuliert sein. An der Freigabe Daniel Frahns und den Reaktionen darauf zeigt sich aber, dass die gern beschworene lokale Einheit in rot und weiß durchaus rissig ist. Und die Sollbruchstelle in der Marketingfassade heißt wenig überraschend Identifikation.

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Eingliedern durch Ausgliedern

Sportlich ist RB Leipzig längst im Zweitligaalltag angekommen – Mitbewerber um das oberste Tabellendrittel, Aufsteiger unter drei ausnehmend guten Neulingen in dieser Saison und Teilnehmer an Spitzenspielen. Das ist Sport, Wettbewerb erzeugt Vergleichbarkeit.

Die jüngste Ausgliederung der Leipziger Profiabteilung kann als bemerkenswerter Ausdruck im Ringen nach Normalität auf einem anderen Terrain gedeutet werden, dem Profifußball als wirtschaftliche Branche. RB Leipzig müht sich redlich, die schmutzigen Kleider des Investorenspielzeugs abzulegen, um mit den anderen Kindern nach den hiesigen Regeln des Fußballgeschäfts zu spielen. RB Leipzigs Strategie basiert dabei auf den Erfahrungen des bisherigen Sportengagements von Red Bull – und denen von Ralf Rangnick.

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Mia san Geschäftspartner

Ist ja eigentlich klar, die Überschrift aus dem Januar diesen Jahres: “Rummenigge sieht Projekt in Leipzig kritisch“. Da haben wir es wieder, Traditionsvereinsvertreter mokiert sich über von Privatmillionen geblähten Emporkömmling. Ein schönes Bild, weil schön einfach. Tatsächlich argumentieren ja viele RB-WerbemännchenFans mittlerweile so, als wäre “ihr” Club ein Robin Hood im bigotten Fußballestablishment, dem die Eingesessenen aus niederen Beweggründen den Zugang verwehren wollen.

Aber was hat Rummenigge denn tatsächlich gefordert? Eine Überarbeitung der Lizenzierungsregeln, um die Frage der Neueinsteiger ins Fußballinvestgeschäft zu regeln. Steht ohnehin an, da insbesondere die Lex Kind wohl das Tor zu weiteren Absenkungen der “Traditionsschwelle” (derzeit 20 Jahre) geöffnet hat. Im August legte Rummenigge dann noch einmal nach und schlug vor, die Regeln des UEFA Financial Fair Play auch auf die Bundesliga anzuwenden. Das sind alles sehr vernünftige Vorschläge, aus der Perspektive eines Menschen, der gutes Geld dafür erhält, die Geschäftsgrundlage seines Unternehmens – und dessen Stellung als Branchenprimus – auch in Zukunft zu sichern und auszubauen.

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Der exotische Peter

Anfang August, rund um das Spiel 1860 vs. RBL, schlug ein Interview mit dem Ex-Trainer beider Clubs, Peter Pacult, kleinere Wellen. Österreichs Fußballer des Jahres 1984 nutzte die Aufmerksamkeit der tz-Redaktion, um noch einmal auf seine Entlassung bei RB Leipzig im Sommer 2012 zurückzublicken.

Das Interview riss nicht die Schwelle, dazu größer etwas zu kommentieren. Pacult beschwerte sich, dass Ralf Rangnick ihm weder Gründe für seine Demission nannte, geschweige denn ihn persönlich davon in Kenntniss zu setzen. Gut, menschlich ist das nicht ganz einwandfrei, aber man weiß ja auch wie Peter Pacult bei Kritik reagiert (“I BIN saua auf Ihna!”). Zieht man dann noch die Reichweiten- und Gewichtsverhältnisse zwischen dem introvertierten Schwaben und dem aufbrausenden Wiener heran, kann man Rangnick schon verstehen.

Eine Sache am Interview fiel uns zunächst gar nicht auf, wurde aber in der aktuellen 11FREUNDE in einer kurzen Meldung zu Recht moniert. Zum Abschluss wird Pacult durch die Blume nach seiner Sympathie zum Projekt RB gefragt, und antwortet salomonisch:

Frage: Trinken Sie eigentlich gern Red Bull?

Pacult: Eigentlich ist es nicht so mein Ding. Aber jetzt haben sie ein neues Getränk, Exotic, das schmeckt mir.

Klingt ganz plausibel – bis auf die Tatsache, dass Red Bull kein Getränk mit dem Namen Exotic anbietet. Nicht mal eines mit einem ähnlichen Namen.

Wir sehen zwei mögliche Szenarien: Entweder Pacult ist nach seiner Entlassung vom Didi, mit dem er dem Interview zu Folge ja weiterhin gut zu sein scheint, wenigstens in den Red Bull Exclusiv-Tester-Club eingeladen worden und bekommt die neuen Brausen nun vor der Markteinführung. Oder Pacult hat sich – wie hin und wieder in seiner Trainerkarriere auch – einfach vergriffen und vielleicht diesen oder diesen Energydrink in der Dose gekauft.

UPDATE: User Dase weiß welche Dose Peter Pacult vermutlich meinte: Die Summer-Edition Tropical, war hierzulande nicht flächendeckend erhältlich, wurde wohl aber mal im Stadion erprobt. Merci!

Schlussstrich statt Verantwortung

Red Bull ist auf Erfolg programmiert. Wirtschaftlich sowieso bei einer Differenz von 1,80 Euro zwischen Herstellungs- und Abgabepreis der Brause. Sportlich aber ebenso, da wird nichts dem Zufall überlassen. Die neulich schon einmal angedeutete Verwandtschaft zu einem anderen, strikt auf Erfolg gedrillten Sportsystem ist nicht nur geistiger Art: Im Red Bull Sportimperium ist der oberste Leistungsdiagnostiker ein verurteilter DDR-Dopingarzt.

Bernd Pansold hat in Österreich den schönen Beinamen “Laktaktpapst”, weil er das konzerneigene Diagnostik- und Trainingszentrum von Red Bull im österreichischen Thalgau leitet. Über das Jahr machen dort alle Red Bull-Athleten – von Lindsey Vonn bis Sebastian Vettel – Leistungstests. Pansold ist der uneingeschränkte Chef mit Weisungsbefugnissen bis in das sportliche Tagesgeschäft (s.u.).
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