Erwartungshaltung

Zugegeben, hin und wieder stellen wir uns selbst die Frage, warum wir Rasenballsport Leipzig kritisch begleiten. Viel öfter freilich fragen uns andere, was wir denn gegen RB hätten, “die anderen” würden ja auch viel Geld in den Profifußball stecken. Die Standardsituationen solcher Gespräche haben wir ja schon in Ruhe aufgeschrieben (1, 2, 3). Außerdem erfordert es ja tatsächlich eine gewisse Anstrengung, etwas genauer zu verfolgen, das einem eigentlich widerstrebt.

Und dann geschieht etwas, das in seiner Absurdität verdeutlicht, was durch das Auftreten von RB Leipzig vor Ort, in der Bundesliga und seiner Normalisierung in der Berichterstattung schon alles verrutscht ist. Und damit auch, warum es eben nötig ist, genau hinzuschauen und zu reflektieren, was da eigentlich passiert. Aber von vorn.

Sky-Reporterin berichtet im RB-Trikot

Die Geschehnisse um die Sky-Reporterin Sylvia Walker im Juli sind an sich schon so irrwitzig wie die Handlungsstränge einer Reality-Seifenoper auf RTL II, weswegen sie zunächst wertfrei wiedergegeben werden sollen.

Für ihren Arbeitgeber Sky moderierte Walker einen Bericht über das RB-Trainingszentrum am Cottaweg und trug dabei ein Trikot mit eigens für sie angefertigter Beflockung. Davon teilte sie ein (mittlerweile gelöschtes) Bild mit ihren 55.000 Instagram-Follower_innen.

In den Kommentaren fragte Nutzer auefans_rheinmain, ob das mit neutraler Berichterstattung vereinbar sei. Walker antwortete darunter:

Doch mit ihrem Verweis auf journalistische Standards (dazu unten mehr) war es nicht getan. Sie schrieb einem weiteren Nutzer, der den Kommentar von auefans_rheinmain geliked hatte, eine persönliche Nachricht, und fragte ihn nach dessen Gründen für die Zustimmung zum Kommentar.

Der betreffende Nutzer Cem a.k.a. bbrokeforever nahm sich die Zeit und schrieb ihr durchaus ausführlich zurück:

Woraufhin Walker dem Nutzer eine Sprachnachricht schickte, in der sie ihm antwortete:

Also wenn man so negativ schreibt, muss ich dir jetzt auch eine Nachricht hinterlassen, denn ich find es unglaublich. Denn zum einen, weiß ich nicht, hast Du glaube ich nie kapiert, was Fußball eigentlich bedeutet: Leidenschaft, Spaß, Spiel, Sport, Disziplin, und da geht es wirklich um was. Und du beleidigst einen Verein – und für mich ist es ein Verein – denn die haben bewiesen, dass sie mit ordentlich Geld auch was anfangen können. Sie haben einen tollen Plan, sie haben tolle Leute am Start, die das auch alles managen, zum Beispiel, wo ich auch war, in diesem Trainingstrakt. Da weißt Du, was dahinter steckt, und nicht nur einfach Dosen- und Retortenverein. Du solltest Dich eigentlich schämen, so negativ darüber zu sprechen. Und ich wünsch Dir auch noch nen schönen Abend, weil für mich hat das mit Instagram-Likes überhaupt nichts zu tun, Du gehst mir eigentlich am Arsch vorbei, weil interessieren tust Du mich nicht, wenn Du so die Leute beleidigst und gleich verurteilst. Ich wünsch Dir nen schönen Tag und ich hoffe, dass Du nicht so frustriert bist, wie es hier in dieser Nachricht rüberkommt.

Sprachnachricht von Sylvia Walker

Öffentlich wurde der zweite Teil der Konversation, als der angeschriebene Instagram-Nutzer diese auf Twitter veröffentlichte.

Verschobene Wahrnehmung

An diesem Austausch, der – mit Ausnahme der abgewogenen Antwort von Cem – so auch aus der WhatsApp-Gruppe einer siebten Klasse kommen könnte, ließe sich jetzt vieles aufspießen. Festgehalten werden sollte jedenfalls der offensichtlichste Widerspruch, dass Frau Walker den “Likes” auf einem kritischen Kommentar in ihrem Instagram-Profil hinterher recherchiert, um anschließend zu behaupten, das gehe ihr am Arsch vorbei.

Im größeren Bild gesehen, zeigt sich daran die hier auch schon vor fünf Jahren angesprochene Verzerrung in der Sportberichterstattung: Walker beruft sich auf journalistische Standards, während sie ein Unterhaltungsprodukt für den Rechteinhaber präsentiert. Ihre Instagram-Recherche stellt die journalistische Hartnäckigkeit von Sky Sport News HD bei weitem in den Schatten.

Darüber hinaus kann man sich natürlich fragen, aus welcher Geisteshaltung heraus das angeblich so überlegene Konstrukt RB Leipzig (Die haben einen Plan!) immer so immens – und auffallend inhaltsschwach – verteidigt werden muss. Auch in diesem Aspekt ist Walkers Sprachnachricht, gerade weil sie beiläufig hingeätzt ist, symptomatisch für die Beleidigteleberwurstigkeit der Vereinsspitzen und vieler Anhänger_innen.

Schließlich ist RBL sicher nicht der erste Verein, bei dem Berichterstatter in Fankleidung gehüllt werden. Aber wohl der erste, bei dem das nicht das Absurdeste an der Geschichte ist.

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