Rangnicks Return und Mateschitz’ Monument. Die Saisonvorschau 18/19

19. August 2018, DFB-Pokal
Der Rasenballsport hat es in der ersten Runde des DFB-Pokals mit dem ambitionierten Regionalligisten Viktoria Köln zu tun. Franz-Josef Wernze vom sächsischen Landesamt für Denkmalpflege und sogenannter Mäzen der Kölner hatte dem Leipziger Mannschaftsbus zuvor gastfreundlich “auf dem Weg zur Viktoria Rosenblätter gestreut.” Die Domstädter gewinnen dann überraschend 1:0 durch eine denkbar unglückliche Szene des überraschend reaktivierten Fabio Coltori (Rangnick: “In den unteren Ligen kennt er sich einfach besser aus”).

Kurz vor Ablauf der Nachspielzeit der Verlängerung drückt der stämmige Modellathlet die Pille im Stile eines Klassestürmers aus Nahdistanz über die Linie. “Wie damals gegen Darmstadt”, schwelgt die schweizer Klublegende nachher in seligen Erinnerungen. Heuer gelang ihm das Kunststück nur eben leider auf der falschen Seite. “Wenigstens treffsicherer als Timo Werner”, bemerkt Chefreporter Guido Schäfer unbarmherzig, “der hätte heute vom Strand aus das Meer nicht getroffen.” Nach Abpfiff korrigiert Wernze seinen jüngsten Vorschlag für das neueste Leipziger Wahrzeichen: “Ich sage immer, was ich denke. Die Stadt Leipzig sollte nicht nur Dietrich Mateschitz, sondern auch Coltori ein Denkmal setzen. Sie haben den großen Fußball jetzt auch nach Köln gebracht!” Der erboste Geißbock Hennes VIII. hinterlässt daraufhin einen ganzen Haufen frischer Ziegenmurmeln im Mittelkreis des altehrwürdigen Sportparks Höhenbergs.

26. August 2018, Bundesliga, 1. Spieltag
Rasenball verliert am ersten Spieltag in Dortmund. Lucien Favre nimmt das leichtfüßige 3:0 seines Teams gegen inspirationslose Gäste ungerührt hin. Rangnick dagegen droht erstmals mit Konsequenzen. Vor dem Spiegel, in der Herrenumkleide. Und gemeinsam mit dem französischen Dolmetscher.

20. September 2018, UEFA Europa League, 1. Spieltag
Die lediglich fünf angereisten Allesfahrer aus der nach großem Fußball lechzenden Messestadt erleben im kasachischen Almaty ein müdes 1:1. Immerhin rettet Fabio Coltorti seinen Roten Bullen kurz vor Ultimo einen wichtigen Punkt. Der von Sky engagierte Field-Chefreporter Guido Schäfer meint entschuldigend: “Anders als Leipzig finden Almaty halt nur die Wenigsten auf der europäischen Fußballlandkarte!” LVZ-Korrespondentin Anne Grimm verbessert den Geografiemuffel beflissen: “Wenn man es ganz genau nimmt, dann sind wir ja eigentlich bereits in Asien.” Schäfer hört da schon bloß mit einem halben Ohr hin, er stiert seiner TV-Kollegin Esther Sedlaczek nach. Immerhin ein Teilnehmer der Leipziger Delegation zeigt sich allerdings begeistert vom Abenteuer bis beinah an die chinesische Grenze. “Der Fernsehturm von Almaty, haben Sie den gesehen, Herr Rangnick? Über 370 Meter hoch, ein Wahnsinn, das wäre doch zumindest etwas, das halb der Größe von Dietrich Mateschitz entspricht”, japst Franz-Josef Wernze touristenselig.

Loris Silvio Zecchinato on flickr.com

3. Oktober 2018, Tag der Deutschen Einheit
Feiertag. Zeit zum Durchatmen! Erste Pläne für das immer lauter geforderte Denkmal zu Ehren des Gebieters inmitten der Heldenstadt dringen an die Öffentlichkeit. Die zukünftige stadtarchitektonische Schwester des Völkerschlachtdenkmals soll über den Fußball hinaus als Erinnerung dafür dienen, sich von jeder Historie zu lösen und den Blick stets in die Zukunft und auf die Märkte zu richten. Errichtet auf dem dann gänzlich verschwundenen Gelände der Kleinmesse soll ein mächtiges Stahlkonstrukt aus zwei rot lackierten Bullen, die auf eine goldüberzogene Sonne zuspringen, entstehen. Für den Entwurf zeichnet sich ein anonymes Künstlerkollektiv aus Österreich verantwortlich. Stilistische Nähe zum Markenlogo eines bekannten Getränkeherstellers weist man im städtischen Entscheidungskuratorium “als diffus herbei konstruiert” beiseite, wie Sportbürgermeister Heiko Rosenthal betont. Mit der gebotenen journalistischen Distanz kommt Martin Machowecz in einem ZEIT-Kommentar zu dem Schluss: “Im Osten geht wieder die Sonne auf.

8. Oktober 2018
Es gibt Ärger um das Denkmalvorhaben. Burkhard Jung, designierter Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, hat RB-Geschäftsführer und Vorstandschef Oliver Mintzlaff einbestellt, um mit ihm über seine Dauerkarte (“Wieso habe ich hier eine Rechnung bekommen?”), aber vor allem über das Monument zu sprechen. Konfliktpunkt: Der Bau kollidiert mit Jungs eigenen Denkmal-Planungen am vorgesehen Ort: “Wie? Nein, nicht für Ihren Chef. Für mich selbst!”. Mintzlaff verspricht, einen Kompromiss zu suchen. Das Angebot, einen der Kunstrasenplätze auf dem Gelände der Bluechip-Fabrik nach ihm benennen zu lassen, ist dem Noch-OBM aber zu wenig. “Denken Sie mal über einen Jung-Brunnen nach, irgendwo zentral gelegen”, gibt er dem nervös gewordenen Topmanager mit auf den Heimweg.

6. November 2018, Bundesliga, 10. Spieltag
Rasenball zu Gast im Berliner Olympiastadion. Was bisher immer eine ausgelassene Sommersause zum Saisonabschluss gewesen war, geht diesmal im tristen Berliner Novemberplatzregen bei 8°C unter. Endergebnis 0:0. Erste Pfiffe gellen aus der Leipziger Kurve. Der sich selbst als “sattelfest im Sattel sitzend” bezeichnende Chefcoach Rangnick möchte, in der Mixedzone auf den gegenwärtig dürftigen 10. Tabellenplatz angesprochen, aber dennoch nichts von einem Euphorieeinbruch wissen – weder im Verein noch bei den Fans. Währenddessen stapft im Hintergrund Sportdirektor Ralf Rangnick wortlos grummelnd vorbei in Richtung Mannschaftsbus. Einziges Leipziger Erfolgserlebnis an jenem dunklen Montagabend: Oliver Mintzlaff kanalisiert seinen Frust umgehend auf der mythenumwobenen blauen Tartanbahn des Olympiastadions und bricht beim “Auslaufen” der Mannschaft sensationell Dieter Baumanns mehr als 20 Jahre alten Deutschen Rekord über 5.000 Meter. “Ups, da muss heute Morgen was in meiner Zahnpasta gewesen sein”, keckert der ewig astrale Ausnahmeläufer galgenhumorig. Rangnick kann sich trotzdem kein Lächeln mehr abringen.

damian entwistle on flickr.com // CC BY-NC 2.0

6. Dezember 2018, Nikolaustag
Als besondere Nikolausaktion und “großes Dankschön aus der Mitte der Stadt” wird in der Leserbriefspalte der LVZ angeregt, kleine Wichtelpakete nach Fuschl am See zu schicken. Eine solche gemeinschaftliche Aktion würde wieder den Zusammenhalt in der Stadt stärken, der unter den Eindrücken der Straßendemos der letzten Jahre doch arg gelitten hätte. Am Cottaweg treffen daraufhin größere Mengen Geschenkpapier ein.

13. Dezember 2018, UEFA Europa League, Spieltag 6
Girondins Bordeaux zu Gast in Leipzig. In der Lokalpresse werden wieder die Geschichten aus dem April ‘87 aufgewärmt. René Müller darf auch noch mal erzählen, wie er Lok damals ins Finale geschossen hat. Bei einem weihnachtsbäckereibeseelten Interview mit dem MDR auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt spannt er den riskanten Bogen zur Jetztzeit: “Damals wie heute gilt, dass man ohne Kräftekonzentration und die finanzielle Unterstützung von außen nicht vorankommt.”

22. Dezember 2018, Bundesliga, 17. Spieltag
RB spielt eine herrlich mediokre Hinrunde und verliert sowohl gegen Nürnberg als auch in Düsseldorf. Nach dem erkämpften Remis in Augsburg fordert Mintzlaff trotzig: “Endlich mal freuen!” Sportchef Rangnick erklärt bestimmt: “Der Trainer steht nicht zur Disposition!”

24. Dezember 2018
An Heiligabend darf Ralf Rangnick nicht wie sonst üblich beim Gebieter unter dem rot-blauen Weihnachtsbaum sitzen. Das ist der letzte Tropfen in der der schon bedenklich zerbeulten Zanke-Dose. Bockig verlässt Rangnick die Taurin-Lounge in Fuschl am See und ruft beim DFB an. Sportdirektor Oliver Bierhoff will sich zwar nicht sofort mit der Idee eines Namenssponsors für das Nationalteam oder einer einjährigen Gastspielgenehmigung in der ‘Chinese Super League’ (Rangnick: “Der kommende Markt!”) anfreunden, stellt Rangnick aber als externen Berater ein. Als RBs Interimstrainer übernimmt Mateschitz indes selbst. “Da bin auch näher am Denkmal”, argumentiert der erdverbundene Tribun.

Tambako the Jaguar on flickr.com // CC BY-NC 2.0

18. Januar 2019, Rückrundenauftakt der Bundesliga
Zum Start der Rückrunde präsentiert Dietrich Mateschitz eine gänzlich neue Elf auf dem Platz. “Die Hälfte des Hinrundenteams ist noch auf der Baustelle fürs Denkmal, die anderen haben wir verschenkt.” Begründung: “Weil wir es können. Außerdem müssen wir die Financial-Fairplay-Regeln der UEFA beachten.” Die Änderung ‘einhalten’ statt ‘beachten’ krizzelte ihm RB-Kommunikationschef Florian Scholz zuvor noch heimlich auf den Stichwortzettel. Immerhin schürt der Last-Minute-Sieg über Borussia Dortmund lang vermisste Euphorie in der Heldenstadt (Torschütze war Stammkeeper Coltorti mit einem kräftigen Abschlag).

2. März 2019, Bundesliga, 24. Spieltag
Das Spiel in Nürnberg, kurz vor Rosenmontag, geht verloren. Auch die Hinweise von Mateschitz an sich selbst, man kämpfe noch immer mit den Auswirkungen der europäischen Überregulation des Fußballmarktes, helfen nichts mehr. Der Gebieter hat von sich die Nase voll und delegiert Marco Rose aus Salzburg. (Kleiner Verein in Österreich, für den RBL so etwas wie früher die Patenbrigade war: Tauchen immer mal unvermittelt auf, machen einen auf dicken Maxen, und danach ist die Stimmung schlechter.)


13. April 2019, Bundesliga, 29. Spieltag
Ein weiterer Klassiker: Es geht zuhause gegen Wolfsburg. Im VIP-Bereich kommt es schon zu Handgreiflichkeiten zwischen den Vertretern diverser Automobilkonzerne, die sich auch untereinander nicht mehr auseinanderhalten können und über die Frage in Streit geraten, wer hier eigentlich wen sponsert. Auf dem Rasen dagegen Tristesse pur. Rose war mit der eigenen Rolle als Interimstrainer so unzufrieden, dass die Spieler schon einen Safe Space verlangten, um in Ruhe Playstation spielen zu können. (“Hat Timo bei der WM so gelernt.”). Wolfsburg gewinnt glücklich durch einen Treffer in der Nachspielzeit. Coltorti war machtlos.

18. Mai 2019, Bundesliga, 34. Spieltag
Vor dem letzten Spiel bei Sensationsmeister Werder Bremen greift der Gebieter durch und holt Rangnick zurück aus der DFB-Zentrale, wo dieser gerade neue Organigramme ausdrucken ließ und das Pokalfinale in Reykjavik (“Neue Märkte!”) vorbereitete. Begründung des Gebieters für den neuerlichen Wechsel: “Die Spieler schreien nach Führung.” Das Zitat hatte er von Rangnick, der es wiederum von Putin geklaut hatte. Aber klar, Russland ist am Ende auch bloß ein einziges Projekt, nur mit geringerer Lebenserwartung der Teilnehmer und mehr Alkohol. Da muss man durchgreifen, jeden erst fragen geht nicht. Außer den Gebieter natürlich.

duncan c on flickr.com // CC BY-NC 2.0

29. Mai 2019, UEFA Europa League Finale in Baku (Aserbaidschan)
Vier (!) Anhänger im Leipziger Block und damit der Hattrick, was das Desinteresse der Fanszene an außergewöhnlichen Fernreisen angeht. Trotzdem: Finale in der Euro League! Leider holt der ungeliebte “Cup der Verlierer” (Franz Beckenbauer) in der Heimat kaum jemanden vom Sofa hoch. Coach Rangnick sieht sich dagegen oben auf. Das führt ihn zu jenem weitreichenden Entschluss, den er mit sich selbst noch in der Woche vor dem Endspiel abgesprochen hat: Er wird als Trainer verlängern! Der verantwortliche Sportchef befürworte das und habe bereits den eigentlich angedachten Thronfolger Julian Nagelsmann darüber in Kenntnis gesetzt. Der Gebieter tobt. Aber nicht aufgrund der unsteten Personalpolitik im Verein, sondern infolge des schleppenden Fortschritts beim Sonnendenkmal. In der LVZ lässt er lancieren, er könne sein Geld jederzeit in ein Monument in einer anderen Stadt stecken: „Gestatten Sie mir ein offenes Wort: Wir wollen niemanden zwangsbeglücken, das haben wir ehrlich gesagt auch nicht nötig“, empört sich Mateschitz. Auf den Hinweis, dass die halbfertige Goldkugel aus öffentlichen Mitteln bezahlt worden sei, erwidert er barsch mithilfe einer HHL-Studie: “Diese Mittel stellen Steuereinnahmen dar, die erst Rasenball durch den angeschobenen Wirtschaftsaufschwung in die Stadt gespült hat.” BWL-Absolvent Schäfer hat das eh schon immer gewusst und freut sich auf seine Cohiba in Südtirol. Dorthin wird der Chefreporter die Rasenballer wieder einmal ins anstehende Sommertrainingslager begleiten. Endergebnis des Finales übrigens: 1:0 n.V. für Apollon Limassol. Fabio Coltorti hatte in der 119. Minute den Ausgleich auf dem Fuß, aber verzog um Zentimeter links.

Saisonende
Der Saisonabschluss auf dem Marktplatz, den der MDR als “Fußballfest für das Waldstraßenviertel” bewirbt und ganztägig überträgt, gerät zu einem Fiasko. Die eigentlich gebuchte Helene Fischer (Eventmanager Oliver Mintzlaff: “Alles darunter ist nicht mehr vermittelbar”) sagt kurzfristig ab, als sie erfährt, dass es sich nicht um das DFB-Pokalfinale handelt. Auch an Publikum mangelt es nach der enttäuschenden Saison; der parallel laufende Ausverkauf bei KARSTADT zieht deutlich mehr Leute an. Der Gebieter hat außerdem das Denkmalprojekt endgültig abgesagt. Weder wollte ihm das Stadtplanungsamt einen eigenen Sachbearbeiter zusichern, noch die Thomaner zur Eröffnungsfeier in Red Bull-Flügeln auftreten.

 

Pieter Bruegel, The Tower of Babel

Rangnick nutzt jedoch die Gunst der Stunde. Er schickt alle Arbeiter, die älter als 24 sind, von der Baustelle, setzt Coltorti als Polier ein und steckt ihm die neuen Pläne zu. Diese sehen nun einen spiralförmigen Bau vor, der sich immer weiter himmelwärts windet. Am oberen Rand bleibt der Plan dann aber merkwürdig unfertig. “Kommt da kein Dach drauf?”, fragt der Polier vorsichtig. “Das ist symbolisch, Junge! Es geht immer weiter, alles ein Prozess, alles in Entwicklung und so. The Sky is the limit! Dachbesitz als Selbstzweck kannst Du vergessen.” Coltorti nickt still und freut sich auf die neue Saison.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.