Unlängst stimmte uns ein Leserbrief von Raphael von Arx aus Lausanne an die 11FREUNDE-Redaktion ziemlich nachdenklich …
„[…] Die UEFA verweist auf Artikel 3 der UEFA-Wettbewerbsbedingungen zu Champions- oder Europa League. Dort heißt es: `Keine natürliche oder juristische Person darf Kontrolle über oder Einfluss auf mehr als einen an einem UEFA-Klubwettbewerb teilnehmenden Verein haben, wobei in diesem Zusammenhang als Kontrolle oder Einfluss gilt, wenn die betreffende Person (…) in der Lage ist, auf irgendeine Art und Weise einen entscheidenden Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Vereins auszuüben.’ […] Eine große Farce, oder? Klärt mich auf.“ (Ausschnitt aus 11FREUNDE #152/Juli 2014, S. 116)
Was tun, um der Sache wirklich anschaulich auf den Grund gehen zu können? Nach tagelangem Hin und Her blieb nur eine Möglichkeit. Wir mussten der Realität ins Auge blicken. Also stiegen wir prompt in unseren DeLorean DMC-12, fuhren den Flux-Kompensator hoch, reisten ins Jahr 2018 und erlebten aufrüttelnde Szenen. Ein exklusives, noch nie geleaktes Protokoll unserer phantastischen Erlebnisse in der Zukunft:
Zurück in die Zukunft – eine phantastische Reise ins Jahr 2018
Salzburg. Ein kalter Dezemberabend im Jahr 2018. Vor wenigen Minuten musste RB Leipzig eine unglückliche, aber für das bereits gesicherte Weiterkommen in der Uefa Europa League nicht mehr relevante 0:1-Niederlage einstecken. Nur kurz wird die Medienmeute in der Mixed Zone im Stadionbauch aufgeschreckt. Mit donnernden Flügelschlägen war soeben ein Hubschrauber direkt vom Mittelkreis aus in Richtung Fuschl am See abgehoben. An Board der bis über beide Ohren lächelnde Dietrich Mateschitz.
Jetzt drängen sich wieder alle konzentriert am Absperrband hinter Reporter Boris Büchler, der für ServusTV Livestimmen der Beteiligten einfangen will. Nur der ehemalige LVZ-Chefreporter Guido Schäfer darf noch vor die Kordel. Nachdem seit zwei Jahren sämtliche Mäntel der LVZ im Madsack-Stammhaus Hannover kopiert und gedruckt werden, durfte lediglich Kerstin Decker ihren Job in Leipzig behalten. Sie schreitet weiter elegant auf dem „bouLEvard“ und tippt guten Gewissens den offiziellen Polizeiticker ab.
Glücklicherweise brauchte Schäfer nicht lange, bis er einen neuen Job als Büchlers Redaktionsassistent beim österreichischen HD-Premiumkanal fand. Plötzlich schwenkt eine Tür aus dem Leipziger Kabinentrakt auf. Vom aufreizend wichtig dreinblickenden Pressesprecher – in der Mixed Zone regelt nur er den Verkehr – wird den beiden Sportdirektor Ralf Rangnick (RB Leipzig) vor die Kamera geführt. Das Interview kann beginnen:
Büchler (forsch): „Ralf Rangnick, Glückwunsch zum Einzug in die nächste Runde. Was hat das Leipziger Spiel so schwerfällig und so anfällig gemacht?“
Rangnick (genervt): „Is’ mir völlig wurscht. Wir sind jetzt alle in der Zwischenrunde. Nur das zählt.“
Büchlers Assistent Guido Schäfer prustet auf, verschluckt sich lauthals und lässt eine Dose Red Bull aus der linken Hand fallen. Damit Schäfer seinen unbezahlbaren Nerzmantel nicht sinnlos einsaut, setzt er zu einem schubartigen Ausweichreflex an, verliert dadurch jedoch das Gleichgewicht und taumelt rücklings wie anno dazumal der argentinische Nationaltrainer Alejandro Sabella drei, vier, fünf Schritte nach hinten. Ein Ordner fängt ihn im letzten Augenblick auf. Dichter Dampf eines Zigarillos, das Schäfer währenddessen fest zwischen Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand gepresst hielt, weht vor das Teleobjektiv. Sowohl Rangnick als auch Büchler werfen Schäfer verständnislose Blicke zu. Dieser wird von zwei medizinischen Betreuern auf eine orange, sargähnliche Bahre gehievt und für die erste Hilfe zur 20 Meter entfernt stehenden Eistonne getragen. Nach dreißig Sekunden Unterbrechung kann das Interview fortgeführt werden.
Büchler (trotzdem gleich wieder voll konzentriert): „Ist Ihr Keeper Benjamin Bellot mental stark genug, diesen kapitalen Bock zu verkraften, der zum entscheidenden Gegentreffer so kurz vor Schluss geführt hat?“
Rangnick (entschlossen): „Da sehe ich überhaupt keinen Zweifel. Und sowieso machen wir ihm da nicht die geringsten Vorwürfe. Er hat absolut seinen Job gemacht. Diesen kleinen Faux-pas hat er doch jetzt schon vergessen. Wir von der sportlichen Leitung übrigens auch.“
Büchler (ungläubig): „Könnte Ihre etatmäßige Nummer eins Fabian Bredlow nicht Ansprüche anmelden, auch in der Europa League auflaufen zu wollen. Gerade jetzt, wenn als nächstes die KO-Runde folgt?“
Rangnick (eindringlicher Ton, die scharfen Augen rollend): „Wir haben immer gesagt, dass Fabian Bredlow, um den wir vor der Saison wirklich intensiv haben kämpfen müssen, damit Red Bull Salzburg ihn ziehen lässt, in der Bundesliga die Nase vorn hat. Aber Benny ist eine Identifikationsfigur, der sich seit 2009 enorm weiterentwickelt hat und Unmengen für unser Projekt geleistet hat. Die Europa League hat er sich ganz einfach verdient. Hier ist und bleibt er unser Wettbewerbshüter.“
Büchler (für’s erste zufriedengestellt): „Vielen Dank, Herr Rangnick, für ihre klaren Worte. Aaah. Sehr schön, da sehe ich ja auch schon Ralf Rangnick, Sportdirektor des etwas glücklichen Siegers Red Bull, Pardon, FC Salzburg, es ist ja schließlich Europapokal, zu uns kommen.
Sekunden später begrüßt ein leicht grimmig schauender Salzburger Sportdirektor grummelnd den Fragensteller Büchler.
Büchler (dennoch vorfreudig): „Herr Rangnick, wie auch Ihrem Leipziger Kollegen gebühren Ihnen herzliche Glückwünsche zum nicht mehr für möglichen gehaltenen Weiterkommen. Ihre Salzburger konnten Leipzig in die Zwischenrunde der Uefa Europa League folgen. Aber da war ja mächtig Dusel mit im Spiel, nicht wahr? […]“
Ein Gedanke zu „„Er ist unser Wettbewerbshüter““