Es dauerte ein wenig, ehe die zuvor regungslos auf dem Rasen verharrenden U17-„Jungbullen“ (um dem offiziellen Duktus des RB-Universums gerecht zu werden) sich noch ein letztes Mal berappelten, um auf ihrer anschließenden Ehrenrunde den allemal verdienten, wiewohl in diesen Momenten kaum tröstlichen Applaus von knapp 7.500 Zuschauern im großen Stadion am Fuße der Festwiese einzuheimsen.
Den Weg so mühsam hatte die fehlende Trophäe gemacht. Denn keine 60 Meter entfernt, auf der eilig nach Abpfiff installierten Siegerbühne, schwangen euphorisierte Dortmunder Hoffnungsträger eben jene von den Leipzigern schmerzlich vermisste silberne Meisterschale kreuz und quer durch die Luft. Dank eines zweifellosen 2:1-Erfolges hatten sich die Schwarz-Gelben zuvor den Sieg im Finale um die deutsche U17-Meisterschaft und das anschließende kleine große Brimborium verdient. Die anwesende DFB-Delegation verhüllte nicht nur die Werbebanden in neutralem Grün, sondern inszenierte ebenso ein FIFA-taugliches Zeremoniell, das gleichwohl im Westfalen-, Olympia- oder dem Stadion Maracanã nicht besser hätte zur Schau geboten werden können. Ganz egal, wo.
Verwechselbar unverwechselbare Bilder: Das deutsche B-Jugend-Finale
Auch an diesem lauen Freitagabend im Juni wurden von Anfang bis Ende verwechselbar unverwechselbare, rührende Bilder geboten: Einlauf unter Fanfarenmusik, Nationalhymne, kurzweiliges Spiel, routinierte Gewinnerposen hier, traurige Verlierertränen dort. Und von oben rieselte dichter, golden glitzernder Konfettiregen hinab, den mehrere Salven aus Konfettikanonen ausgestoßen hatten.
Ähnlich professionell wie die Veranstalter gaben die sportlichen Akteure dem Geschehen eine würdige, fußballerische Untermalung. Über die 80 Spielminuten hinweg eiferten die Talente ihren großen Bundesligavorbildern aus dem Pay-TV in allerlei Dingen nach: Sie trugen die gleichen überteuerten Töppen in gewöhnungsbedürftigen Signalfarben, vollführten Zunge schnalzende Finten, zogen wiederholt herrliche Kombinationen auf, konnten jedoch – wenn nötig – allzu clever die Sekunden dahinstreichen lassen oder wussten situativ – etwa in eigenen Druckphasen oder vor Standardsituationen – mit eindringlichen Gesten das Publikum zu animieren. Kurzum: Sie spielten wirklich flotten und ansehnlichen B-Jugendfußball mitsamt der dazugehörigen Profitheatralik dieser Tage.
Bereits am Sonntagvormittag zuvor, beim bestens gemeisterten 2:1-Finaleinzug der Jungbullen über Mainz 05, ließen sich gut 3.500 Zuschauer davon überzeugen. „Besser als unsere Nationalmannschaft“, frohlockte ein Altbulle (Bullensprech für betagter, fußballbegeisterter Kiebitz) augenzwinkernd. Joachim Löws Elf hatte bekanntlich am vorherigen Abend mit Ghana die Punkte geteilt. Es war augenscheinlich nicht sein erster Besuch im Stadion, wusste er doch seine Sitznachbarin fachkundig aufzuklären, die „unsere 19“ als „Hendrik Ernst in klein“ identifizierte. Ernst ist laut offizieller RB-Homepage ein „Mittelfeldbulle“, der nach einem Kreuzbandriss im Februar um Anschluss im Zweitligakader kämpft. „Nee, wissen Sie wie der läuft?“, entgegnete er ihr, „ein bissel wie der Morys“. Einem in den vergangenen Monaten ebenfalls verletzungsgeplagten Angriffsbullen aus der ersten Mannschaft.
Robin Boerner bekam vom vergnüglichen Plausch der Fans nichts mit. Der U17-Verteidiger mit der Nummer 19, im Juli letzten Jahres vom SV Wehen Wiesbaden nach Leipzig gewechselt, war genug mit seinen Aufgaben unten auf dem Platz beim schweißtreibenden Rasenball beschäftigt. Er spielte in der Viererkette, für die RBs Marketinggenies bislang glücklicherweise noch keine konzerngenehme Begriffsverunstaltung eingefallen ist. Boerner leistete gemeinsam mit den anderen Jungbullen gute Arbeit und durfte sich daher bei der anschließenden „UFFTA“ berechtigt von einem kleinen, wenn auch unermüdlichen Stimmungsblock aus Fahnenschwenkern, Trommlern und Schalwedlern in gewohnt produktaffinen Farben feiern lassen.
BVB-Chefs feiern zweifellosen Sieg und Sponsorendeal in dreistelliger Millionenhöhe
Eingedenk dieses Husarenritts der U17, angefangen beim Nord-Ostdeutschen Bundesligatitel bis ins Finale der Deutschen Meisterschaft, warb der Verein folgerichtig über die ihm eigenen Kanäle (u.a. halbseitig im lokalen heißen Blatt) kräftig für seine „Nachwuchshelden“ (LVZ, 26. Juni, S. 28). Die abermalige Aussicht auf vielversprechenden Jugendfußball an einem lauen Freitagabend mitsamt kostenlosem Eintritt in die ehemalige WM-Schüssel sorgte letztendlich sogar für die mehr als doppelte Zahl an Stadiongängern. Doch weder ihr Zuspruch, noch die anspornenden Kabinenworte des bislang obersten Angriffsbullen Daniel Frahn konnte die Leipziger 1:2-Niederlage gegen bemerkenswert frühreife, spielfreudige, athletische, schlichtweg bessere Dortmunder verhindern. Einzig der blitzgescheite Heber des Ex-Auers Marcel Becher zum unverhofften Anschlusstreffer (47.) sowie die schwarz-gelben Chancensünder hielten rot-weiße Hoffnungsschimmer bis Abpfiff am Leben.
Das Ergebnis sorgte oben auf den Ehrenplätzen, wo sich die gesamte BVB-Klubspitze um Michael Zorc, Reinhard Rauball und Hans-Joachim Watzke versammelt hatte, zusätzlich für allerbeste Stimmung. Nur Stunden vorher durfte Watzke einen voluminösen Deal in wohl dreistelliger Millionenhöhe mit dem in Essen ansässigen Chemieunternehmen evonik präsentieren, der sowohl die langfristige Verlängerung des Hauptsponsorenvertrages, als auch den Verkauf von neun Prozent der Klubanteile beinhaltete. Ein zeitgemäßer Big-Business-Kniff, um zukünftig weiterhin im garstigen, ausufernden Wettbewerb mit aufstrebenden Projekten wie RB standzuhalten, deren Macher für schlappe neun Prozent nicht einmal Häuserfassaden im österreichischen Spielberg rot-weiß anstreichen würden.