Der RoteBrausePrediger und das Problem, das keins sein soll

Der rotebrauseblogger schreibt nicht nur das Internet voll und bringt Zuschauer bei einer Dose Bier zum Wegnicken, sondern darf sich nun auch bei ZEIT ONLINE und damit in der klassischen Printpresse ausprobieren. (update: unterscheidungen von online und offline halten wir offenkundig für eine überholte, alteuropäische sitte.) Die ZEIT verfolgt damit weiter ihre kürzlich schon begonnene Linie ‚Kritische Berichte zu RB haben wir genug gelesen, wir machen jetzt ein wenig Normalisierung’. Mit einer veränderten Sachlage hat das nichts zu tun, sondern eher mit der journalistischen Logik, sich schnell mit sich selbst zu langweilen und immer super-originell erscheinen zu wollen. Also findet man in Hamburg RB jetzt einfach mal halb so wild.


Zum – gewohnt staatstragenden – Artikel selbst gäbe es einiges zu kalauern. Einer unserer Lieblingssätze war: „Die Frage nach den Organisationsformen im Profifußball wird bisher also durch die Realität beantwortet und nicht durch Verbände und Vereine“. Aber ehe wir anfangen, über unreale Verbände und Vereine nachzudenken und darüber, wer so alles bei dieser coolen Realität dabei ist, kommen wir lieber gleich zur Sache.

Wenn wir das richtig sehen, ist das Hauptargument des Textes: Alle Aufregung um RB ist „eine oberflächliche, emotionale Bekenntnisdebatte“, und sie gehe an der eigentlichen Frage vorbei, welchen (Profi)Fußball wir eigentlich wollen. Diese Frage sei nie oder nur am Rande gestellt worden.

Die Diskussion existiert!

Sorry, aber das ist schlichtweg falsch. Zum einen kann man ja die ganze Ablehnung von RB, wenn man das nur will, auch als Teil der Diskussion um den gewollten Fußball auffassen. Und zwar im Sinne von ‚Wir wollen gar keinen sonderlich speziellen Fußball, und wir haben bisher auch viel hingenommen, aber sowas wie RB wollen wir eben nicht!’. Die Argumente in der RB-Debatte mögen unterschiedlich komplex sein und Grundsatzfragen um den ‚modernen Fußball’ auch nicht immer explizit thematisieren. Beiträge zu dieser Diskussion sind es aber allemal. Man muss sie nur ernst nehmen.

Zum anderen stimmt die Behauptung von alleiniger Oberflächlichkeit und Emotionalität auch deshalb nicht, weil die Debatte um den präferierten Fußball ja auch explizit geführt wird,  hier und hier und hier etwa. Oder hier und hier und hier. Schnell wird beim Lesen dieser Beiträge klar, dass nicht einfach nur „Nein“ zu RB gesagt wird, sondern auch Argumente und offene Fragen vorgebracht werden. Alles mit Luft nach oben, aber immerhin.

Wir gehen mal davon aus, dass rotebrauseblogger diese und andere Debattenbeiträge auch kennt. Dafür, dass er sie aber nicht nennt bzw. für marginal hält, fallen uns zwei Gründe ein.

RB Leipzig als progressiver Vorreiter?

Erstens ist eine „Die Debatte läuft falsch“-Wortmeldung natürlich immer ein netter Versuch, wenn man selbst in einer doofen Position ist oder einem schlichtweg nichts anderes einfällt. Kießling versucht sich und das Projekt damit wieder mal aus der Schusslinie zu nehmen: „Red Bull ist nicht das Problem“.

Zweitens stellt sich RB damit mal nicht als Opfer, sondern als konstruktiver Akteur dar: Seht her, wir bringen eine Diskussion in Gang, die sowieso geführt werden müsste! So wie die Werder-Fans am besten noch dafür dankbar sein sollen, dass RB mit einem überaus gönnerhaften Selke-Deal ihrem klammen Verein das hungerleidende Sparschwein aufgefüllt hat, darf nun die Fan- und Funktionärsszene dafür applaudieren, dass Rangnick und Co. Grundsatzfragen aufwerfen. Man fragt sich, wo der Fußball ohne RB wäre.

Auch das folgt der bisherigen Normalisierungslinie: Wir sind hier nichts Neues, wir machen nur das, was alle anderen auch machen. (Dass man dabei immer wieder an ein paar Regeln erinnert werden musste, ist geschenkt.) Ein bisschen normaler als alle anderen will man dann eben doch sein, und Kießling tut dies, indem er mit großer Geste dem diskutierenden Pöbel die richtige Richtung weist. Nix mehr mit Emotionen, ganz nüchtern. Gleich noch die Champions League dazu nehmen, „es gibt Stimmen“ und „es gibt Juristen“ ins Feld führen, ein paar Lösungen andeuten, aber lieber gleich halb verwerfen. Und nachdem das alles aufgerufen wurde, erinnert man sich daran, dass das alles ja in der ZEIT erscheinen soll und man bei dieser Gelegenheit gleich noch einen Helmut Schmidt-mäßigen Spruch raushauen kann: „Ein Wettbewerb mit Chancengleichheit ist unter diesen Voraussetzungen sowieso nichts als Utopie“.

Ein solches Maximalziel ist natürlich ein Pappkamerad, den sich der Gastautor hinstellt, um ihn fachmännisch aus dem Weg zu räumen. Das lässt nebenbei die Gegenseite naiv aussehen und gibt schon mal die Richtung der eigenen Argumentation vor. Der Verdacht drängt sich auf, dass auch Kießling an der von ihm geforderten Debatte nur auf sehr spezifische Weise interessiert ist.

6 Gedanken zu „Der RoteBrausePrediger und das Problem, das keins sein soll“

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