Gemeinwohl und Geschenke

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung lässt sich ja gern mit der Sentenz zitieren, dass RB ein „großes Geschenk“ für die Stadt sei. Anlässlich des bevorstehenden Stadionkaufes durch RB verdichten sich (mal wieder) die Anzeichen dafür, dass es vielleicht andersrum richtiger ist: Leipzig ist ein Glücksfall für RB. Denn die Geschichten um das ehemalige Zentralstadion, dessen Neu- bzw. Umbau und die dabei umgesetzten Gelder zeigen, dass die gern verkündete Erzählung des privaten Investoren-Heilands, von dem die ganze Stadtgesellschaft nur profitiert, sehr vieles vergisst und verschweigt. Vor allem, wie viel öffentliches Geld direkt und indirekt im Projekt RB steckt, wie wenig sich RB tatsächlich für die Stadt interessiert, und wie sehr diese Stadt trotzdem gewillt ist, RB mehr oder minder bedingungslos zu hofieren.

Das Zentralstadion gehört bald zu Fuschl am See

Anlass für diese Geschichte ist der Verkauf des Zentralstadions. Kurz erzählt, also in der Version der meisten Zeitungen, verkauft der Eigentümer Michael Kölmel das Stadion an Red Bull. Genauer gesagt läuft der Deal so: Derzeitige Besitzerin des Stadions ist die EMKA Immobilienbeteiligungsgesellschaft GmbH. Diese hält 100 Prozent der Anteile an der Zentralstadion Leipzig GmbH, die auch als Besitzgesellschaft bezeichnet wird, weil ihr faktisch das Stadion gehört. Kölmel wiederum ist nun Besitzer der EMKA und über diesen Weg derzeitiger Stadioneigentümer.

Foto: toastbrot81 “Blick vom City Hochhaus” on flickr | CC BY-NC 2.0

Demnächst nun verkauft die EMKA ihre Anteile an der Besitzgesellschaft und damit das Stadion. Käufer ist, und darauf kommen wir später nochmal zurück, Red Bull bzw. der davon alimentierte hiesige Fußballverein. Von dieser Aufteilung erstmal abgesehen, gehört dem „Projekt RB“ damit künftig das Stadion selbst, und alle Umbauten finden damit als Investitionen in RB-Eigentum statt (was wohl Bedingung war bzw. vor dem Kauf des Stadions gegen Umbauten sprach).

Lange gingen im Vorfeld die Verhandlungen hin und her, wobei RB öffentlichkeitswirksam mit einem Neubau auf der grünen Wiese drohte, wenn es das Stadion nicht ausbauen dürfe. Die Bauvoranfrage und die aus Sicht von RB unangemessen lange Wartezeit auf eine Antwort bestimmten lange die Berichte der LVZ; damit werden wir Sie aber nicht länger langweilen. Schließlich signalisierte die Stadt ihre Zustimmung zum Ausbau, und Kölmel und RB tüteten daraufhin den Kaufvertrag ein.

Alle Beteiligten sind nun zufrieden. Kölmel, weil er Geld bekommt und auf längere Zeit Risiken los ist. Er ist weiterhin (über die ZSL-Betreibergesellschaft) Betreiber von Veranstaltungen etwa auf der Festwiese und hat andere Vorbehaltsrechte, u.a. eine eigene VIP-Loge. Zudem bewirtschaftet er die Parkplätze. RB ist zufrieden, weil ein eigenes Stadion das Firmenportfolio ziert und man zugleich größeren Aufwendungen und Konflikten aus dem Weg geht, die bei einem Umzug gedroht hätten. Und schließlich die Stadtverwaltung und der Stadtrat, weil RB’s Heimspielstätte zentral bleibt und damit weiter als innerstädtisches Aushängeschild dienen kann; zudem ist das Stadion in Benutzung, was sonst wieder zum Problem geworden wäre. Die Zustimmung des Stadtrates am Mittwoch dieser Woche gilt deshalb allen nur als „Formalie“. Wie wir aus den entsprechenden Rats-Ausschüssen hörten, scheint das auch zu stimmen. Kaum jemand im Stadtrat scheint sich für das Thema zu interessieren; lediglich von den GRÜNEN kamen Antworten auf unsere Fragen.

Dabei ist der Verkauf des Stadions in mindestens zwei Punkten aufschlussreich, und beide drehen sich um das liebe Geld.

Öffentliche Investitionen, private Gewinne

Der erste Punkt betrifft den Kaufpreis. Kolportiert sind hier 70 Millionen EUR; keine Seite hat dieser Summe bisher widersprochen, also rechnen wir auch mal damit. Und rufen noch einmal die Baukosten von damals in Erinnerung. Die Bausumme belief sich insgesamt auf 116 Millionen EUR. Davon zahlte allein der Bund 51 Millionen EUR, die Stadt 21 Millionen EUR und die EMKA, also Kölmel, 44 Millionen EUR. Dazu wurde noch ein Betreibervertrag abgeschlossen, der Kölmel pro Jahr 1,2 Millionen EUR jährlich aus dem städtischen Haushalt zusicherte.

Jede Menge öffentliche Kohle steckte in der gesamten WM 2006 und den Stadien; das wurde und wird gern vergessen. Aber kein Stadion, außer das in Nürnberg, wurde mit derart viel öffentlichem Geld gebaut wie das in Leipzig. Das lag natürlich auch daran, dass zu den Zeiten des Neubaus weder der FC Sachsen noch der VfB in der Lage gewesen wäre, die erforderlichen Summen aus den eigenen löchrigen Etats mit aufzubringen, geschweige denn, das Stadion dann noch mit genügend Zuschauern zu füllen. Gleichwohl wollte der Gründungsort des DFB und die Stadt des ersten Deutschen Meisters aber unbedingt Spielstätte bei der prestigeträchtigen WM sein.

Foto: Ju_Li_A “Vor dem Spiel” on flickr | CC BY-NC-SA 2.0

Wie auch immer: Rechnet man all die oben genannten Zahlen zusammen bzw. wieder auseinander, wurden drei Viertel aller Kosten für den Stadionbau durch Bund und Stadt beglichen. Anders gesagt: Kölmel zahlte ein Viertel der Baukosten. Das wäre für sich nicht verwerflich. Allerdings war nach der Fertigstellung des Stadions und seiner Einweihung die EMKA bzw. ihre Besitzgesellschaft, sprich Kölmel, alleiniger Eigentümer des Stadions. Kurz gesagt, zahlte Kölmel also 44 Millionen EUR für ein (wesentlich teureres) Stadion, das er nun für 70 Millionen EUR weiterverkauft. Kein schlechter Deal, oder?

Manche werden hier einwenden: Ja, aber die ganzen Kosten in den Jahren des Leerstands! Geschenkt. Denn wie gesagt: Von der Stadt gab es jährlich einen Zuschuss, und selbst wenn der Betrieb ohne Einnahmen zwei Millionen pro Jahr gekostet hätte, wären da maximal 10 Millionen EUR zusammengekommen, denn ab der Saison 2010/11 spielte RB ja schon durchweg im Stadion und zahlte dafür (ordentlich) an Kölmel. Wären also, ganz zurückhaltend gerechnet, immer noch 16 Millionen EUR Differenz bzw. Gewinn für Kölmel bei der Sache. Aber selbst die LVZ vermutet da deutlich höhere Beträge und spricht von „an die 50 Millionen“.

Wir wollen an der Stelle niemandem sein Geld neiden, ehrlich. Aber nur nochmal fürs Protokoll: Die Stadt sieht nach ihren Investitionen von mindestens 21 Millionen EUR, realistischer eher 30 Millionen EUR nun keinen Cent beim Verkauf der Schüssel. Das ist rein rechtlich alles wasserdicht, offenbar wurden die Verträge damals so geschlossen. Man wollte schnell ein modernes Stadion und die WM in der Stadt, und bekam beides dann auch. Und klar, öffentliche Subventionen für private Unternehmen sind an der Tagesordnung, und das noch in (weit) größeren Dimensionen.

Die städtische Nichtbeteiligung beim Wiederverkauf ist ja auch nicht die einzige schräge Geschichte um die ganze Stadionerneuerung. Man erinnere sich nur an den Batzen Geld, den Roland Poser für seine (angebliche) Vermittlung Kölmels bekam; ein Detail des Affären-Gesamtkunstwerks des damaligen Kämmerers Peter Kaminski.

Aber ein bisschen irre ist das schon, dass RB nun eine Spielstätte kauft, die mit öffentlichen Geldern stark bezuschusst wurde, dabei aber so tut, als täten sie irgendjemandem damit auch noch einen Gefallen und die Verwaltung solle sich gefälligst ein bisschen beeilen bei solch nobler Kundschaft. Und noch irrer ist es, dass Kölmel damit nun noch einen (ordentlichen) Gewinn einstreicht.

Legitimiert wird all das, man ahnt es, mit den heilsbringenden Effekten durch RB. Direkte und indirekte Einnahmen der Stadt, man kennt die wunderbaren Geschichten und Zahlen. All das sind nach wie vor Schätzungen, genaue Berechnungen liegen unserer Kenntnis nach weiterhin nicht vor. Aber (PR-)wirksam sind die Studien trotzdem; im Eingang zur Beschlussvorlage an den Stadtrat wird wieder auf die schon berühmte Public Value-Studie der HHL Bezug genommen und „erhebliche Effekte“ für die Stadt Leipzig prognostiziert.

Steuern zahlen? Lieber später!

Der zweite Punkt betrifft die beim Kauf anfallenden Steuern und damit erneut öffentliches Geld. Denn als Käufer der Besitzgesellschaft treten (formalrechtlich) zwei Parteien auf den Plan: die Red Bull GmbH und der unter RasenBallsport Leipzig firmierende gemeinnützige Verein (e.V.). Beide Parteien teilen sich den Kaufpreis, und dies hat den Grund, dass keine Grunderwerbssteuer gezahlt werden muss, sobald man nicht mehr als 95 Prozent eines Grundeigentums erwirbt. Deshalb kauft Red Bull nur 94 Prozent, und der Verein die restlichen 6 Prozent. Mit anderen Worten: Hätte die Red Bull GmbH das ganze Stadion bzw. alle Anteile an der Besitzgesellschaft erworben, wäre die Grunderwerbssteuer fällig gewesen. Die beläuft sich in Sachsen auf 3,5 Prozent, was bei einem unterstellten Kaufpreis von 70 Millionen EUR immerhin runde 2,5 Millionen EUR sind. Für Red Bull eigentlich nur Peanuts, aber im Zweifel spart man die natürlich gern ein.

Auch das ist (natürlich!) eine legale Geschichte. Über das Erschweren solcher Share Deals wird immer mal gesprochen, aber noch werden sie legal genutzt. Und RB wären die Letzten, die formalrechtliche Möglichkeiten nicht auch bis zum Äußersten ausschöpfen würden. Das ist ja ohnehin die ganze Zeit die Masche: Legitim ist, was legal ist, alles andere sind Einwände von Traditionalisten und Neidern. Darauf wird man auch hier verweisen, wenn die Frage nach den 2,5 Millionen EUR Grunderwerbssteuer aufkommt. Daran darf man sich aber gern erinnern, wenn mal wieder der Wohltäter Red Bull gepriesen wird, und das wird nicht mehr lange dauern.

Foto: Juncala (ohne Titel) on pixabay | CC0 1.0

Fazit: RB ist auch in dieser Angelegenheit nicht der Heilsbringer, der es immer vorgibt zu sein. Massig öffentliches Geld steckt im Stadion, das nun, verwandelt in Privatbesitz, mit Gewinn verkauft werden kann. Wie gesagt: alles legal, alles normal. Aber solche Geschichten gehören zum Gesamtbild dazu, das allzu oft als „Die kosten keinen was und bringen ihr eigenes Geld mit“ gezeichnet wird. Auch die erwähnte Beschlussvorlage für den Stadtrat spricht ja davon, dass durch RB „Steuereinnahmen für die Stadt sowie werbliche Abstrahleffekte (Image) fürs Stadtmarketing ohne Belastung für den kommunalen Haushalt“ zu erwarten sind. Es wäre endlich mal an der Zeit, diese einseitige Lobhudelei zu beenden.