Jeden Montag Regelmäßig empfehlen wir Artikel, Berichte und Beiträge, die das Label Sportjournalismus verdienen. Also Dinge, die es mit Sicherheit nicht ins Red Bulletin schaffen. Wir präsentieren Perspektiven und Recherchen, die den Blick auf das Drumherum, das Dahinter und das große Ganze lenken – anstatt den aktuellen Spieltag als Edelfan oder Maskottchen abzufeiern. [Gruß an die LVZ!]
Bild: JonS on Flickr “Newspapers” // CC BY 2.0
“Platzt der Traum Champions League?”
Hätten wir auch nicht gedacht, dass die Sport-Bild hier reinrutscht. Allerdings liefert Autor Berries Boßmann (nicht Bosman) eine knackige und wenig aufgeregte Zusammenfassung der wohl spannendsten Frage für die sportliche Zukunft von RB Leipzig: Darf RB Leipzig in der kommenden Saison Champions League spielen?
Die Ausgangslage ist klar und oft durchgekaut, Boßmanns Artikel weiß aber zu unterscheiden: Die Gefahr des Nachweises des “entscheidenden Einfluss'” des gemeinsamen Geldgebers droht wohl eben nicht durch die personellen Überschneidungen und Verflechtungen der beiden Clubs. Viel eher wird RB Leipzig ein Problem haben nachzuweisen, dass Red Bull bei beiden Franchises für nicht mehr als 30% des Umsatzes sorgt – Das wäre zumindest das Kriterium laut UEFA “Financial Fairplay”-Regularien, wie der Sportrechtler Thomas Dehesselles zitiert wird:
„Ist das Engagement von Red Bull sowohl in Leipzig als auch in Salzburg über dieser Grenze, greift Artikel 5, Absatz 2 der Uefa-Regularien.“ Und darin heißt es: „Halten zwei oder mehr Vereine die Bestimmungen zum Schutz der Integrität der Uefa-Klubwettbewerbe nicht ein, so kann nur einer von ihnen zu einem Uefa-Klubwettbewerb zugelassen werden.“
Während Oliver Mintzlaff sich in seiner Doppelfunktion als “Head of Global Soccer” für Red Bull und Vorsitzendem des von Red Bull zu 70% unabhängigen Verein Rasenballsport Leipzig bereits verbal auf einen Rechtsstreit vorbereitet, deutet Boßmann eine ganz andere Option an: Man könnte Salzburg absichtlich verlieren lassen, damit sie in Österreich nicht Meister werden. Wäre geradezu der folgerichtige Todesstoß für die nurmehr leblose Hülle der einstigen Speerspitze des Red Bull-Fußballimperiums. Kann man sich in Leipzig ja mal merken.
The Rise of RB Leipzig
Tim Mansel hat für die BBC zum Rückrundenstart ein Radiofeature über RB Leipzig gemacht. Auch wenn der Beitrag mit Hertha-Gesängen und einigen undifferenzierten Meinungen beginnt, schaut Mansel schon ziemlich genau hin. Dabei kommt ihm neben seiner eigenen Fußballerfahrung und jahrelangen Kenntnis Deutschlands auch zu Gute, dass er zwei von uns gefragt hat, ob wir mit ihm sprechen können 😉
Wie so oft ist der Blick von weiter Außen etwas abwägender. Was Mansel beeindruckend gut gelingt, ist die Thematisierung der Frage “ostdeutscher Identität” im Zusammenhang mit der Identifikation mit RB Leipzig. Zwar kommt dabei auch Prof. Meynhardt lange zu Wort, dessen Studie wir wissenschaftlich ziemlich fragwürdig finden, Mansel isoliert mit seinen Rückfragen aber einen wichtigen psychologischen Kern der kritiklosen (Über-)Identifikation insbesondere öffentlicher Stellen mit dem Investment von Red Bull: eine nach wie vor in den neuen Bundesländern anzutreffende Mentalität, das (wirtschaftliche) Opfer der politischen Wiedervereinigung gewesen zu sein.
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