RB ist in seinem natürlichen Habitat angekommen. Merkbar hatten die Kraftprotze Probleme mit der Widerständigkeit der unteren Ligen, können nun aber das erste Mal das sein, als was sie sich dem ausgegebenen Planziel nach verstehen. Bisher wirkte RB fehl am Platz, ein überpotenter Bundesligist, der beispielsweise schon munter zweistellige Millionentransfers abwickelte, unter Unterbemittelten und Rückwärtsgewandten. Endlich passt aber das Kleid, das man sich von Anfang an übergeworfen hat.
Nach nur sieben Jahren Aufbauarbeit kann man auch in der großen Gruppe mitspielen und fällt dort in Sachen Budget und gigantomanischen Plänen (Stichwort: neues Stadion) auch nicht mehr so unangenehm auf. Das es so kommen musste, war genauso voraussehbar wie langweilig. Umso erstaunlicher, dass dennoch eine überwältigende Zahl Menschen ihren Durst nach Bundesligafußball im ehemaligen Zentralstadion stillt. Nummernschilder aus ganz Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind an den Spieltagen im Stadionumfeld zu sehen. Die Jahnallee ist gepflastert mit Bratwurstständen und Flachbildschirmen. Für die, die es nicht in den Brausetempel geschafft haben. Die lokale Jubelpresse schreibt ihren Liebling bereits in die Championsleague und der Hofberichterstatter übt sich in Distanzlosigkeit. Dazu kommt noch eine Front aus städtischen Betrieben, die sich noch schnell ein neues Label als „Leipziger“ gegeben haben, um dann auf allen relevanten Ebenen der infrastrukturellen Bereitstellung als Partner des neu ausgerufenen städtischen Zugpferdes zu agieren.
Kritik an RB? Der Zyniker lächelt milde
Bereits nach wenigen Wochen Bundesliga wird somit klar, dass das Konzept des Konzerns aus Fuschl aufgeht. Das vereinsgewordene Werbeschild ist im werbeträchtigsten Sportfeld Deutschlands etabliert und wird von dort wohl auch nicht mehr zu verdrängen sein. Zwar branden ihm hier und da noch Protest- bis Abwehrhaltungen wie etwa der Dortmunder Ultras entgegen. Die werden aber mittlerweile auch von gestandenen Leitmedien läppisch als letzte Rückzugsgefechte abgetan und auf einen im Grunde bemitleidenswerten Selbsthass zurückgeführt.
Das zurückgelehnte Ausruhen darauf, dass RB ja auch nichts anders mache als die schon etablierten Clubs – besonders die an der Tabellenspitze –, zeigt, dass RB die konsequente Weiterführung eines Zynismus ist, der über klassische Kritikansätzen nur noch dezent lachen kann. Mit der Identifikation mit einem Club über dessen zurückliegende Erfolge und besonders Misserfolge kann er nichts mehr anfangen. Ebenso wenig mit einem Stirnrunzeln über das schiere Monopoly, das mittlerweile im internationalen Fußball veranstaltet wird.
Und es hat ja auch was für sich. Fußball, wie er auf den Ebenen von Bundesliga und Europapokalen betrieben wird, baut auf massiven, meist von großen Konzernen oder Scheichs eingetragenen Kapitaleinsatz, gezielter Konsumierbarmachung und damit verbundener werbewirksamer Inszenierung. RB stellt diesbezüglich das neueste Role Model dar. Als Produkt samt mitgelieferter Story, die es vermitteln kann, von Anfang an den Start gebracht, fügen sich die „Roten Bullen“ glatt in das Geschäft Bundesliga ein. Wachstumsschmerzen oder Etablierungsschwierigkeiten sind nicht zu beobachten. RBs erklärtes Ziel, das nun erreicht wurde und auf das man sich vorbereitet hat, ist es, eine möglichst große Masse anzusprechen und diese an einer reibungslos vermittelbaren Erfolgsgeschichte teilhaben zu lassen. Easy Consuming und keine Brüche in der Fassade. Hurra, endlich ungestört freuen!
Frei von historischer Last
Wesentlich trägt dazu bei, dass RB frei ist von jeglicher historischen Last. Weder gibt es DDR-Eskapaden zu diskutieren. Noch hat man ein Fan- oder gar Hoolproblem. Von finanzieller Misswirtschaft und streitbaren Managern ganz zu schweigen. (Alle drei Punkte sind – wenn auch unschön – aus historischen Gründen eigentlich wesentlich, um von einem „Ost-Verein“ zu sprechen, als der RB gern bezeichnet wird. Aber das ist „alte“ Denkweise.) So befreit kann man sich himmelhochjauchzend allein auf das Zukünftige konzentrieren und im Jetzt abfeiern. In diesem Kontext wird auch die seltsame Abwendung von der „Tradition“ verstehbar. Im Zusammenhang mit anderen Clubs noch als besonders schützenswertes Gut gehandelt („Bundesligadino HSV“), gilt der Blick nach hinten im Zusammenhang mit der österreichischen Dependance in Leipzig als überholt und altbacken.
Der Pessimist sieht in all dem das satte Aufblähen eines spätkapitalistischen Fußballbetriebs, der die Mutter auf dem Kessel der Kommerzialisierung bereits zwei- bis dreimal überdreht hat. Der Optimist freut sich auf eine neue Welt des entideologisierten Fußballs, in dem es keine komische Kritik mehr an der entfesselten Macht des Kapitals sowie ein einwandfreies, rundes und störungsfreies Stadionerlebnis gibt. Eine Fußballwelt ohne Ecken und Kanten, aus der man alles, was irritieren könnte, verdrängt hat.
Ein Gedanke zu „RB und die Bundesliga – It’s a match!“