Bild: Mixy Lorenzo/flickr unter CC by-nc-sa 2.0
Zwei Dinge (in weiser Voraussicht) vorab: Wir unterstützen ausdrücklich den Teil der RBL-Fans, die die Paten-Aktion initiiert haben, sie organisieren und sich daran beteiligen werden. Wenn aus der Nachbarschaft von Ernst-Grube-Halle und Zentralstadion über den einmaligen Besuch hinaus eine, oder viele kleine Beziehungen zwischen Geflüchteten und Fußballfans entstehen, dann wäre das mehr als wünschenswert. Auch dient die Beobachtung nicht dazu, Rasenballsport Leipzig und sein Sportmarketingkonzept als unzulässige, “fremde” Ausnahme darzustellen – ganz im Gegenteil. In den ablehnenden Comments zur Aktion zeigt sich eine Argumentation, die auch etwas damit zu tun hat, wie im Hause Red Bull Fanszenen behandelt und Fußball vermarktet wird.
Aufruf zu klarer Positionierung folgt klare Positionierung
Aber von vorn: Gestern morgen hat die RB Leipzig-Fancommunity RB-Fans.de auf Facebook eine Aktion öffentlich gemacht (LVZ zog nach), die schon länger im Fanforum vorbereitet wurde. Zum Heimspiel nach der Länderspielpause (gegen Paderborn) werden alle Leipziger Refugees zum Spiel eingeladen. Und zwar nicht einfach mit einem Stapel Freikarten, sondern sie werden von Paten aus der Fanszene abgeholt, begleitet und schauen gemeinsam das Spiel. Verein und Flüchtlingsrat sind eingebunden und werden Geflüchtete und Paten wohl kostenfrei einladen. Eine Idee so einfach und bezaubernd wie Fußball.
Wie in den Comments darunter zum Ausdruck kommt, haben viele RB-Fans mit einer Reihe von Reaktionen darauf wohl nicht gerechnet. Denn einige der Kommentierenden lehnen die Idee offen ab. Sie wollen nicht nur nichts damit zu tun haben, sondern finden die Aktion auch unangemessen und ungerechtfertigt. Zum einen kommen die üblichen, entweder bis zur Schmerzfreiheit empathielosen oder bewusst zynischen Missgunst-Argumentationen, dass man nicht einsähe, warum Ausländer etwas gratis bekämen, was man selbst bezahlen müsse. Kann nach bald einem Jahr Pegida in Sachsen, und dem was das an Leserkommentaren so hochspült nicht wirklich überraschen – bleibt aber selbstverständlich ekelhaft. So empfinden es auch viele RB-Fans.de-Kommentatoren, und antworten darauf zum Teil, dass sie sich wundern, mit solchen Leuten in der Kurve zu stehen. Das sei doch nicht das Bild von RB und RB-Zuschauern, das sie hätten. Ein Kritiker der Aktion antwortet unverfroren:
Der “andere” Verein?
Uns geht es nicht darum, aus diesen Reaktionen eine generalisierbare Aussage über die RB-Zuschauer abzuleiten. Auch zeigt sich darin nicht das Problem mit RB Leipzig, zu ernst sollte man drei Nazitrolle auch nicht nehmen. Wobei sich zeigt, dass hinter einem lauten Troll auch 26 “Gefällt mir” stehen. Eines der argumentativen Stereotype zu RB lautet ja, dorthin könne man wenigstens mit der Familie gehen. Wir sind sehr sicher, dass das auch für die Flüchtlingsfamilien gelten wird und begrüßen die Aktion von RB-Fans.de ausdrücklich.
Dennoch arbeitet die Facebook-Diskussion am von Red Bull verbreiteten Bild von RB Leipzig als Alternative zu den Schattenseiten des Zuschauersports. Dabei ist es ja nicht das erste Mal, dass aus dem Fanblock Hass gegen Minderheiten kommt. Dokumentiert sind mehrere homophobe (Juli 2014 Getafe, Oktober 2014 Lok Leipzig) und rassistische Gesänge (Oktober 2014 Nürnberg, Februar 2015 Aue). Dass Fußball neben lustigen Idioten auch dumme Idioten anzieht, ist vollkommen klar. Und gerade bei Spielen mit RB-Beteiligung lässt sich da auf gegnerischer Fanseite in die Abgründe menschlichen Artikulierens blicken. Die Frage ist, wie man als Verein darauf reagiert, insbesondere, wenn man “der andere Verein” sein will. Das Verbieten antirassisistischer Spruchbänder (zum ersten Spieltag der laufenden Saison und schon im Dezember 2014) ist da ganz und gar nicht zuträglich.
RB versucht das Fanerlebnis stärker zu formen und zu kontrollieren als andere Vereine. Das gehört zur Selbstvermarktung und funktioniert ja mittlerweile auch besser als die kleinen Possen zu Beginn in Salzburg oder der wöchentliche Fangruppen-Rapport bei der frühen RBL-Geschäftsleitung. Dennoch zeigt das Verbot der antirassistischen Spruchbänder, dass gesellschaftliches Engagement von Fans von RB vereinsseitig am Liebsten außerhalb des Stadions bleiben soll. Mit so einer Fanszenen-Politik stärkt man allerdings die Haltung, die aus den meisten ablehnenden Kommentaren zur Refugee-Aktion spricht: Politik gehöre nicht ins Stadion, stattdessen einfach nur guter Fußball.
RB Leipzig sollte nun begriffen haben, dass auch der selbstbewusst kommerzialisierte Fußball in Zeiten wie diesen nicht nur ein unterhaltsames Produkt vermarkten kann. Auch wenn man selbst kein Ort der verwurzelten Soziokultur, sondern lieber des rationalisierten Freizeiterlebnisses sein will, kann man sich dem, was die Anhänger (daraus) machen, nicht dauerhaft verschließen. Es bleibt zu hoffen, dass die signalisierte Unterstützung des Vereins auch umfänglich greift und RB sich ähnlich breit und intensiv engagiert, wie andere Profiklubs es in diesen Tagen ankündigen. “Einfach nur guter Fußball” mag als Auftakt zur Implementierung des Vereins im Leipziger Umfeld gedient haben, es darf aber kein Deckmäntelchen für Hinterland-Pfosten sein.
Ein Gedanke zu „Einfach nur guter Fußball“