Ist ja eigentlich klar, die Überschrift aus dem Januar diesen Jahres: “Rummenigge sieht Projekt in Leipzig kritisch“. Da haben wir es wieder, Traditionsvereinsvertreter mokiert sich über von Privatmillionen geblähten Emporkömmling. Ein schönes Bild, weil schön einfach. Tatsächlich argumentieren ja viele RB-WerbemännchenFans mittlerweile so, als wäre “ihr” Club ein Robin Hood im bigotten Fußballestablishment, dem die Eingesessenen aus niederen Beweggründen den Zugang verwehren wollen.
Aber was hat Rummenigge denn tatsächlich gefordert? Eine Überarbeitung der Lizenzierungsregeln, um die Frage der Neueinsteiger ins Fußballinvestgeschäft zu regeln. Steht ohnehin an, da insbesondere die Lex Kind wohl das Tor zu weiteren Absenkungen der “Traditionsschwelle” (derzeit 20 Jahre) geöffnet hat. Im August legte Rummenigge dann noch einmal nach und schlug vor, die Regeln des UEFA Financial Fair Play auch auf die Bundesliga anzuwenden. Das sind alles sehr vernünftige Vorschläge, aus der Perspektive eines Menschen, der gutes Geld dafür erhält, die Geschäftsgrundlage seines Unternehmens – und dessen Stellung als Branchenprimus – auch in Zukunft zu sichern und auszubauen.
Antizyklisch loben?
Die neueste Wortmeldung pro RB vom FC Bayern Frühstücks- Sportdirektor Matthias Sammer ist also nicht das antizyklische Loben / Draufhauen des Küchenpsychologen Uli H., sondern Ausdruck einer langen und durchaus engen Geschäftsverbindung des FC Bayern München und den Fußballniederlassungen des Red Bull-Konzerns:
„Das schafft natürlich auch Arbeitsplätze. Dementsprechend bin ich dem immer positiv gegenüber gestanden.“
Interessant an Sammers Äußerung ist also nicht nur die unnötig umständliche Passiv-Konstruktion in der abgeschlossenen Vergangenheit oder das Arbeitsplatzargument (dazu hier bald mehr) oder die schlagende Leipzig-Expertise des Ex-Dynamos (“Lok und Chemie hatten ihre Chance.”). Dass Sammer sich mal in Sachen RB zu Wort meldet, ist eine schöne Gelegenheit, auf die Verbindungen des FC Bayern München zu Red Bull zu schauen.
Gnadenhof Salzburg
Wie so vieles im deutschen Fußball beginnt die Verbindung Red Bull und FC Bayern mit dem Spieler-, Trainer- und Organisationsweltmeister und vor allem Wahl-Salzburger Franz Beckenbauer. Lichtgestalt Beckenbauer – der Großkonzerne und autokratische Staaten bekanntermaßen mag – stand dem Gebieter bei der Ausarbeitung der ersten Red-Bull-Fußball-Strategie beratend zur Seite und ward auch gleich “Head of Global Soccer” – der schönste Titel im internationalen Fußball (allein deswegen sollte man New York nicht verkaufen!). Im Rahmen dieser Beratung wurden 2005 zwei Juwele im Herbst ihrer Karrieren zum FC Red Bull Salzburg überwiesen: Alex Zickler und Thomas Linke. Nächster und vorerst letzter FCB-Spieler auf dem Red Bull-Gnadenhof war dann 2006 Niko Kovac. Er bekam 2009 sogar ein Abschiedsspiel beider Franchises. Dem Vernehmen nach ein auch in der Höhe verdientes 0:0. Ein ungleich prominenterer Ex-FCB-Angestellter, der dort aber angeblich nicht mal Greenkeeper würde, hat dann 2006/2007 auch noch seine Spuren in Salzburg hinterlassen, als Co des zweimaligen Bayern-Trainers Giovanni Trappatoni. Spätestens dann hatte Didi offenbar gemerkt, dass abgehalfterte Bundesliga-Stars weder als Spieler noch als Trainer eine besonders zukunftsträchtige Strategie für die Salzburger sind.
Alte Hallensportfreunde
Uli Hoeneß, dem zwar mal rausgerutscht ist, Ralf Rangnick würde die Höhenluft nicht bekommen, der prinzipiell aber ein Fan vom strategischen Investment Hoffenheims ist, war erst vergangenes Jahr wieder in Sachen Zusammenarbeit in Salzburg. Beim gemeinsamen Essen mit zwei weiteren Vorständen und Didi wurde eine Zusammenarbeit in Puncto Infrastruktur vereinbart: Der Gebieter hatte gerade den EHC München übernommen und wird wohl innerhalb der nächsten zwei Jahre ein neues Eissportzentrum im Münchner Olympiapark bauen, in dem dann auch die FC Bayern-Basketballer nach Auslaufen ihres derzeitigen Vertrags ihre Heimspiele austragen werden. Red Bull zahlt, Bayern mietet sich ein. Wieder einmal trägt Red Bull damit alte Bayern-Sachen auf: Waren die Heimspiele des FCB lange das wichtigste Highlight im weiträumigen Olympiagelände von 1974, sind die Sportevents von Red Bull (X-Fighters und Summer X-Games und X-Men) seit einigen Jahren die einzigen Attraktionen im Park – außer der Boulder-WM im August.
RB ist längst im Country Club angekommen
Die Moral von der Geschicht’? Geschäuftsfreunde pinkeln sich nicht gegenseitig an die Karre. Oder: Man braucht sich nicht wundern, wenn Beckenbauer live im TV vor einer „Hopp Stiftung“-Werbewand mit einer Pro-RB-Leipzig Argumentation aufwartet, wie Montag beim Paulaner-Cup geschehen. Red Bull ist in den Chefetagen, bei den Vereinslenkern und Investoren längst als Partner auf Augenhöhe angekommen. Das bisschen Polter-Folklore für die, die sich gern auf Twitter schützend vor ihre Lieblingsmarke stellen, liefert man dann, wenn Red Bull Bayerns Konkurrent um Meisterschaft und Champions League-Millionen wird. Auch der VW-Deal, den wir uns natürlich auch noch einmal genauer anschauen, steht ganz klar dafür: RB gibt Gas, um in den Gepflogenheiten der Bundesligafußballfinanzierung anzukommen. Man will die Rolle des Sonderlings ablegen und Teil der Countryclub-Gesellschaft werden, die sich mittels einem einfachen Spiel dreistellige Milliionenbeträge in die Kassen holt.