Eher Wum als Wim

Man muss schon anerkennend sagen: Bei RB passt alles zusammen. Allen ist alles egal, wenn es nur Kohle oder ‚Erfolg’ bringt, und noch das kleinste Licht erstrahlt gleich viel heller, sobald es mit RB in Berührung kommt. Wer sich von einem weiteren Detail dieses Gesamtkunstwerks überzeugen will, dem sei die aktuelle Ausgabe des „student!“ empfohlen. Darin wird der RB-Stadionsprecher Tim Thoelke interviewt.

(Unseren jüngeren Lesern sei an dieser Stelle erklärt: Es gab mal in der heilen Welt der Bundesrepublik einen Showmaster namens Wim Thoelke. Den armen Kerl wollen wir hier gar nicht weiter hineinziehen, aber doch noch an seinen Hund Wum erinnern, mit dem er Dialoge führte, die… nun ja, es ist alles lange her.)

Am schenkelkrachenden Niveau seines „Künstlernamens“ kann man sich ganz gut orientieren, wenn man Thoelkes Welt verstehen will. In der wimmelt es nur so von Shows und Projekten und Ideen, sodass der Interviewer am Ende selbst zu glauben scheint, hier jemanden von Format und Bedeutung vors Mikrofon bekommen zu haben.

Sich selbst der größte Fan

Thoelke nutzt diese Gelegenheit natürlich schamlos aus und ergeht sich in Elogen auf sich selbst: „Ich habe auch ein paar allgemein bekannte Sachen entwickelt“. Leipzig-Fernsehen, eine Raterunde im Studentenklub und neuerdings noch eine „Comedy Roast Show“ – es ist schlichtweg ein Skandal, dass Thoelke nicht als Retter von „Wetten dass…?“ im Gespräch war.

Thoelke ist das, was Rangnick wirklich meint, wenn er von seinen „blue chips“ träumt. Thoelke weiß das, aber offen würde er sich nie loben („Ich bin auch nicht ganz blöd“). Und auch von seiner Klamotte will er eigentlich nicht viel reden. Nur so viel sei angemerkt – sein Anzug ist in zwischen „Kult geworden“. Quelle dieses Urteils: Thoelke selbst.

„Tim Thoelke“ von Marcus Hohnstein - http://www.timthoelke.de/fotos/. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tim_Thoelke.jpg#mediaviewer/File:Tim_Thoelke.jpg
„Tim Thoelke“ von Marcus Hohnstein – http://www.timthoelke.de/fotos/. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tim_Thoelke.jpg#mediaviewer/File:Tim_Thoelke.jpg

Aber auch die sonst so krittelige „unabhängige Leipziger Hochschulzeitung“ scheint diese Sicht zu teilen. „Majestätisch schreitet die Gestalt im knallroten Anzug über den hell beleuchteten Rasen. Hinter ihr treten 22 athletische Menschen langsam aus dem weißen Rauch, der aus dem Spielertunnel ins Stadion quillt. Tosender Applaus bricht aus, als Stadionsprecher, Moderator und DJ Tim Thoelke die Fußballmannschaften zum Heimspiel in der Red-Bull-Arena begrüßt“.

Solch ein Schmus wäre selbst Guido Schäfer zu viel, aber Thoelke wird es vermutlich freuen. So was fällt für ihn unter Erfolg, und der bemisst sich nicht in Feinheiten oder Qualität. Schließlich würde er gern einmal Frank Farian interviewen, weil der „hat insgesamt eine Milliarde Tonträger verkauft und das ist eine Hausnummer, über die man reden kann“.

Solche Gedankenwelten sind das natürliche Habitat von RB. Bisschen locker, bisschen lässig, aber immer nach vorn. Auch wenn ‚vorn’ am Ende nur der Boulevard der Leipziger Kleinkunst ist, und man selbst in eher schmerzfreien Unterwelten wie der Poker-Szene nur noch schlecht gelitten ist.

Punkrock oder Skater? Hauptsache Red Bull!

Der eigentliche Höhepunkt des Interviews versteckt sich aber irgendwo in der Mitte. Thoelke gibt da den politisch Aufrechten, nie habe er deshalb mit RB irgendein Problem gehabt: „Ich habe viel mehr ein Problem damit, wenn irgendwelche Fans beispielsweise eine rechte Szene haben, gerade im Bezug auf das Thema Punkrock“. Der alte Rocker weiß aber auch, dass Tradition im Hause Mateschitz gern gesehen wird: „Außerdem komme ich aus der Skater-Ecke und dort ist Red Bull sowieso schon immer irgendwie mit verhaftet gewesen.“

Das allein ist schon toll. Aber dann wird es noch großartiger, wenn Thoelke alles wieder kunstvoll einreißt, was er eben noch an heiler Welt aufgebaut hat. Denn ebenso, wie man Thoelke fast mit einem echten Entertainer verwechselt hätte, klang das alles bei RB nach einem Fußballverein. Aber da belehrt uns Meister Wum mit schlichten Worten eines besseren:

„Abgesehen davon arbeite ich weder für ein Atomkraftwerk, noch für einen Heroinhändler, sondern für eine Getränkemarke.“

Na dann. Sport frei.

 

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